Diese Biographie wurde uns für das Schülerprojekt im Rahmen des Jenö-Konrad-Cup 2024 freundlicherweise von Herrn Bernd Siegler zur Verfügung gestellt:
* 3. 11. 1903, Nürnberg
† 7. 4.1941, Hadamar
Im August 1919 wurde Hans Schlesinger im Alter von 16 Jahren passives Mitglied des 1. FC Nürnberg. Zumindest ab Januar 1928 wurde er als aktives Mitglied geführt, die Abteilung wurde nicht vermerkt. Am 30. April 1933 strich der FCN ihn aus der Mitgliederliste und markierte dies auf seiner Karteikarte mit dem Stempel »30. APR. 1933«. Den letzten Mitgliedsbeitrag hatte er für das erste Quartal 1933 entrichtet.
Der Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. Hans Schlesinger wurde in Nürnberg am 3. November 1903 als Sohn des HNO-Arztes Dr. Eugen Schlesinger und dessen Ehefrau Meta (geb. Neumann) geboren. Hans Schlesinger studierte Medizin, promovierte und wohnte in der Kurfürstenstraße 13 in Breslau. Am 25. Mai 1932 zog er von Breslau nach Nürnberg in die Karolinenstraße 6. Im April 1934 zog Schlesinger nach Mannheim. Sein Vater wurde zum 1. April 1934 von der Rechnungserstattung der Privatversicherung Deutscher Ring ausgeschlossen. Ende September 1938 musste er seine Praxis in der Karolinenstraße 6 aufgeben, weil seine Bestallung erloschen war. Am 18. November 1938 meldete er sich mit seiner Frau Meta nach Wiesbaden ab. Das Ehepaar lebte dort in der Weinbergstraße 21.
Aufgrund einer schweren Erkrankung erlitt Hans Schlesinger 1936 einen Hirnschaden. Laut Gedenkbuch des Bundesarchivs saß er im Oktober 1936 im Landgerichtsgefängnis Regensburg. Gemäß dem Vermerk in der Meldedatei wurde Schlesinger am »19. 11. 36 in die Heil- u. Pflegeanstalt Tübingen verbracht«. Mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 10. April 1937 wurde er »wegen Geisteskrankheit entmündigt«.
Hans Schlesinger wurde daraufhin in die Anstalt Katzenelnbogen aufgenommen und am 2. September 1939 in die südhessische Landesheilanstalt Weilmünster verlegt. Dort wurden psychisch kranke und behinderte Menschen systematisch unterversorgt, zwangssterilisiert und durch Nahrungsentzug sowie medikamentöse Überdosierung ermordet. Ab 1941 war Weilmünster eine sogenannte »Zwischenanstalt« für die Tötungsanstalt Hadamar – eine von sechs »Euthanasie«-Tötungsanstalten der »Aktion T4«, was für »Aktion Tiergartenstraße 4« stand. Unter dieser Adresse in Berlin planten die Nationalsozialisten den systematischen Massenmord von Kranken und von Menschen mit Behinderung.
In »Zwischenanstalten« wie Weilmünster wurden Patienten aus anderen Anstalten zunächst gesammelt und bald darauf nach Hadamar verlegt. Schlesinger gelangte von Weilmünster in einem Transport mit 91 weiteren Patienten am 7. Februar 1941 nach Hadamar. Die Patienten eines solchen Transports wurden in der Regel noch am Tag der Ankunft in die im Keller der Anstalt befindliche Gaskammer geschickt und ermordet. Das damals offiziell mitgeteilte Todesdatum und die Todesursache wurden häufig falsch angegeben, um Angehörige und Behörden zu täuschen. In den Unterlagen der Friedhofsverwaltung der Stadt Wiesbaden, wo Hans Schlesinger auf dem jüdischen Friedhof Platter Straße beigesetzt wurde, waren als Todesursache »Selbstmord, Vergiftung« und das Todesdatum »2. 4. 1941« verzeichnet.
Von 1.800 Menschen, die 1941 nach Weilmünster gebracht worden waren, wurden nur fünf entlassen, sieben blieben in Weilmünster, alle anderen wurden in Hadamar ermordet.
Die Patientenakten in der Verwaltungszentrale der »Aktion T4« in Berlin wurden zum großen Teil bis Kriegsende vernichtet. Die verbliebenen mehr als 2.500 Akten der über 10.000 in Hadamar ermordeten Menschen wurden von der Stasi archiviert und in den 1990er-Jahren in die Bestände des Bundesarchivs Berlin überführt. Die Akte von Hans Schlesinger ist nicht darunter.
Dr. Eugen Schlesinger beging am 19. November 1940 in Wiesbaden Selbstmord. Seiner Frau Meta wurde 1941 mitgeteilt, dass ihr Sohn Hans in Cholm (Chelm) in der Nähe von Lublin in einer »Irrenanstalt« gestorben sei. Sie musste nachträglich auch noch die Kosten für Pflege und Einäscherung begleichen. Am 11. Juni 1942 wurde Meta Schlesinger von Frankfurt/Main in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort für tot erklärt.
Auskunft der Gedenkstätte Hadamar vom 7. 5. 2021 auf Anfrage des Autors
AA; GBA; GBN 1998; HB; https://www.gedenkort-t4.eu/de/historische-orte/qpvj2-landes- heil-und-pflegeanstalt-weilmuenster-vitos-weilmuenster (aufgerufen am 7. 1. 2022); StadtAN: C 21/X, C 21/VII
Quelle:
Siegler, Bernd (2022): Heulen mit den Wölfen. Der 1.FC Nürnberg und der Ausschluss seiner jüdischen Mitglieder. Fürth: starfruit publications