Diese Biographie wurde für das Schülerprojekt im Rahmen des Jenö-Konrad-Cup 2024 freundlicherweise von Herrn Bernd Siegler zur Verfügung gestellt:
Nattenheimer, Alice
* 29. 10. 1900, Nürnberg
† Februar 1974, New York City (US)
Nattenheimer, Kurt Josef Dr.
* 27. 9. 1896, Nürnberg
† 30. 6. 1972, New York City (US)
Nattenheimer, Helmuth
* 14. 8. 1926, Nürnberg
† August 1948, New York City (US)
Am 1. September 1929 trat Kurt Nattenheimer mit seiner Frau Alice der Tennisabteilung des 1. FC Nürnberg bei. Ihren Sohn Helmuth meldeten sie am 1. Juni 1932 bereits im Alter von knapp sechs Jahren in der Tennisabteilung des Clubs an. Kurt Nattenheimer engagierte sich ab 1930 als Schriftführer und Kassier der Tennisabteilung.
Am 30. April 1933 entfernte der FCN alle drei aus der Mitgliederliste und markierte dies auf den Karteikarten von Kurt und Helmuth Nattenheimer mit dem Stempel »30. APR. 1933«. Ihren letzten Mitgliedsbeitrag hatten sie für das erste Quartal 1933 entrichtet.
Schon in der Mai-Ausgabe 1933 der Vereinszeitung des 1. FC Nürnberg ist vermerkt, dass »Herr Dr. K. Nattenheimer seine Aemter niedergelegt« habe.
»Für die mustergültige Führung derselben sei ihm an dieser Stelle herzlichster Dank gesagt.«
Der Rechtsanwalt Kurt Josef Nattenheimer wurde am 27. September 1896 als Sohn des jüdischen Geschäftsführers Bernhard Nattenheimer und seiner Frau Bianca in Nürnberg geboren. Er studierte Jura in München, Leipzig und Würzburg. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Freiwilliger an der Front im Rang eines Unteroffiziers.
In Würzburg machte Kurt Josef Nattenheimer 1921 an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät seinen Doktor. Seine 93-seitige Dissertation schrieb er über »Die Freiheitsberaubung: § 239 StGB«.
Nach seiner Staatsprüfung 1923 heiratete er im Dezember 1923 die am 29. Oktober 1900 in Nürnberg geborene Alice Murr. Diese war die Tochter des Kaufmanns Moritz Murr und seiner Ehefrau Klara (geb. Kohlmann). Alice wuchs zusammen mit drei Brüdern auf. Die jüdische Familie wohnte 1933 in der Wodanstraße 74 – am 1. Juli 1933 starb Klara Murr.
1924 erhielt Kurt Nattenheimer beim Oberlandesgerichtsbezirk Nürnberg seine Zulassung als Rechtsanwalt. Seine Kanzlei war in der Karolinenstraße 29. Am 14. August 1926 kam Sohn Helmuth zur Welt. Die Familie wohnte zunächst in der Friggastraße 2, dann in der Rankestraße 37, in der Fürther Straße 9 a und zuletzt in der Bahnhofstraße 23.
Nattenheimer erhielt schon am 15. September 1933 eine Pass-Sperre – bei Pass- oder Sichtvermerksanträgen musste das Passamt verständigt werden. Am 30. November 1938 wurde ihm die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen. Trotz der Pass-Sperre gelang es ihm und seiner Frau Alice, im Juli 1939 nach Großbritannien zu reisen. Ihren 12 Jahre alten Sohn Helmuth hatten sie laut Meldedatei drei Monate zuvor, am 22. April 1939, nach Wantage, einer englischen Kleinstadt südlich von Oxford, geschickt.
Kurt Josef und Alice Nattenheimer wurden am 28. Juli 1939 nach New York abgemeldet. Am 18. August 1939 emigrierten sie mit der »New York« der Schifffahrtsgesellschaft »Hamburg-American-Line« in die USA. Eine Woche später erreichten sie mit 70 Dollar in der Tasche New York. Ihr Sohn Helmuth kam mit der »President Harding« am 24. November 1939 von Southampton nach New York nach.
Die Familie wohnte in Manhattan und gab im Februar bzw. März 1940 ihre Absichtserklärung zur Einbürgerung ab. Am 21. März 1945 wurde Kurt Nattenheimer und am 2. Mai 1945 seine Frau Alice eingebürgert. Sie trugen nun den Nachnamen »Nattens«.
Zu dieser Zeit war der Vater von Alice, Moritz Murr, schon nicht mehr am Leben. Er wurde am 10. September 1942 mit über 500 älteren Juden nach Theresienstadt deportiert, laut Meldedatei »ins Protektorat abgeschoben« und dort am 4. Dezember 1942 ermordet.
Am 18. Oktober 1944 erklärte Sohn Helmuth (jetzt Henry Harold Nattens) in Boston, Massachusetts, seine Absicht, US-Staatsbürger zu werden. Als er an seinem 18. Geburtstag bei der US-Army registriert wurde, studierte er an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts. Am 28. April 1947 wurde er eingebürgert. Henry Harold Nattens starb im August 1948.
Joseph Kurt Nattens (vorher Kurt Josef Nattenheimer) war in einer Spielwarenfabrik tätig. Ein Jurastudium in den USA scheiterte wegen sprachlicher und gesundheitlicher Probleme, denn Nattens hatte bereits früh einen Herzinfarkt erlitten. Joseph Kurt Nattens starb in New York am 30. Juni 1972 im Alter von 75 Jahren. Seine Frau Alice Mary Nattens verstarb im Februar 1974 im Alter von 73 Jahren.
DEA; GB-NAI; http://www.interment.net/data/us/ny/westchester/ferncliff-cemetery/records- na-net.htm (aufgerufen am 7. 10. 2021); NA-PH; StadtAN: C 21/X, C 27/IV; US-NY; US-NYC; US-PL; US-SS; Vereinszeitung des 1. FC Nürnberg vom Mai 1933; WR
Quelle:
Siegler, Bernd (2022): Heulen mit den Wölfen. Der 1.FC Nürnberg und der Ausschluss seiner jüdischen Mitglieder. Fürth: starfruit publications