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Diese Biographie wurde für das Schülerprojekt im Rahmen des Jenö-Konrad-Cup 2024 freundlicherweise von Herrn Bernd Siegler zur Verfügung gestellt:

 

Familie Kahn

Kahn, Helmut Kurt

* 7. 5. 1922, Nürnberg

† 1. 6. 2006, Gouda (NL)

 

Kahn, Hugo

* 18. 3.1895, Memmelsdorf

† 12. 2.1980, Gouda (NL)

 

Kahn, Susanne

* 11. 11. 1900, Nürnberg

† 7. 7. 1991, Gouda (NL)

 

Hugo und Susanne Kahn traten am 1. April 1930 in den FCN ein, am 1. Januar 1932 wurde Sohn Helmut Kurt ebenfalls Club-Mitglied. Die Familie gehörte der Tennisabteilung an, sie wohnte in einer Villa in Zerzabelshof in der Sportparkstraße 42 (heute: Heiner-Stuhlfauth-Straße 28), die sie 1930 erworben hatte.

 

Am 30. April 1933 entfernte der Club alle drei aus der Mitgliederliste und markierte dies auf ihren Karteikarten mit dem Stempel »30. APR. 1933«. Den letzten Beitrag hatten sie jeweils für März 1933 entrichtet.

 

Der Fabrikbesitzer Hugo Kahn wurde am 18. März 1895 im oberfränkischen Memmelsdorf als siebtes von acht Kindern des jüdischen Kaufmanns und Hopfenhändlers Selig Kahn und seiner Ehefrau Marie (geb. Ehrlich) geboren. 1911 schloss er die Schule mit der Mittleren Reife ab und begann in Nürnberg bei einer Exportfirma für Kurz- und Spielwaren eine Ausbildung zum Im- und Exportkaufmann. Im Juni 1915 wurde Hugo Kahn zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen. Er war unter anderem bei der Artillerie in der Leichten Munitions-Kolonne No. 114 und beim 6. Bayerischen Feldartillerie-Regiment in Fürth. Die Fronterlebnisse prägten ihn. Seitdem war er Antimilitarist.

 

1920 machte sich Hugo Kahn mit einem Handel für Schreib-, Kurz- und Galanteriewaren selbstständig. Er konzentrierte sich auf den Vertrieb von Zirkelkästen für den Geometrieunterricht und das Technische Zeichnen. Am 23. Februar 1921 heiratete er Susanne Rösch. Diese wurde am 11. November 1900 in Nürnberg geboren, sie war die Tochter eines Metzgers und evangelischen Glaubens.

 

Hugo und Susanne Kahn wohnten zunächst in der Schanzäckerstraße 25.

 

Am 7. Mai 1922 kam ihr Sohn Helmut zur Welt.

 

1922 gründete Hugo Kahn eine eigene Reißzeugfabrik. Das Geschäft expandierte – es umfasste mehrere Zulieferbetriebe und beschäftigte im Jahr 1929 rund 200 Arbeiter. 1930 übernahm der Unternehmer Kahn mit der 1851 gegründeten »Georg Schönner Reißzeugfabrik« eine der führenden Manufakturen in Europa zur Herstellung von Reißzeug für den Schulgebrauch bis hin zu Präzisionsinstrumenten für Ingenieure und Architekten.

 

Am 20. Juli 1933 bekam Hugo Kahn die Gewalt der Nationalsozialisten am eigenen Leib zu spüren. Er war einer von 300 Juden, zumeist Fabrikbesitzer, welche die SA auf einem Gelände in der Werderau zusammengetrieben und einen Tag lang gequält hatte. Sie wurden mit Peitschen und Gewehrkolben geschlagen und mussten mit bloßen Händen Dornenbüsche und Baumwurzeln aus der Erde graben.

 

»Neben uns mussten andere Juden das Gras mit dem Mund aus der Erde ziehen«, schrieb Kahn in seinen Erinnerungen. Er gehörte auch zu den zehn Juden, an denen eine Scheinhinrichtung inszeniert wurde. Erst danach durfte er nach Hause gehen. »Am selben Tag beschlossen meine Frau und ich, Nürnberg zu verlassen.«

 

Laut Meldekartei war Hugo Kahn am 15. August 1933 im französischen Colmar, dann ab 13. Januar 1934 in Bayerisch-Eisenstein, und ab 23. Oktober 1934 in Marienbad und Prag gemeldet. Von dort blieb er in ständigem Kontakt mit seinen Nürnberger Firmen, die von den deutschen Behörden unter Vermögensverwaltung gestellt wurden und einen Zwangsverwalter hatten. Im März 1935 konnte er nach Verhandlungen mit den Behörden wieder nach Nürnberg zurückkehren und erhielt sogar die Verfügungsgewalt über seine Firmen zurück.

 

In der Pogromnacht im November 1938 wurde auch das Haus der Kahns in der Sportparkstraße 42 von Nazi-Schlägertrupps heimgesucht. Alles wurde kurz und klein geschlagen. »Überall im Haus lag fußdick der Schutt, das, was wir in 17 Jahren Ehe zusammengespart und angeschafft hatten.« Die Kahns betraten ihr Haus nie mehr. Es wurde im Dezember 1938 von der Gauleitung »arisiert« und 1941 weiterverkauft.

 

Die Kahns wohnten nun in ihrem Wochenendhäuschen in Ludwigshöhe bei Lauf und wurden gezwungen, ihren Besitz weit unter Wert zu verkaufen und eine 25-prozentige »Sühnesteuer« zu zahlen. Die Gelder wurden auf ein Sperrkonto überwiesen. Die Kahns hatten alles verloren und wohnten zuletzt in einem Zimmer im sog. »Judenhaus« am Maxtorgraben 31.

 

Von da an betrieben sie aktiv ihre Auswanderung. Der Versuch, in die USA zu emigrieren, scheiterte. Kahn gründete eine Schule, in der junge Juden die Grundlagen des Metall- und Elektrohandwerks lernen konnten. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs war es für Juden nahezu unmöglich, Deutschland zu verlassen. Über einen alten Geschäftsfreund erwirkte Kahn bei den holländischen Behörden die Zustimmung zur Einreise. Für den 5. April 1940 vermerkte das Nürnberger Meldeamt den »Wegzug nach Rotterdam«.

 

Die Kahns versuchten, in Rotterdam Fuß zu fassen. Nach der schweren Bombardierung der Stadt im Rahmen des deutschen Westfeldzuges und der Kapitulation der holländischen Streitkräfte am 14. Mai 1940 flüchteten sie nach Gouda. Durch Bekanntmachung vom 10. Juni 1941 wurden Hugo, Susanne und Helmut Kahn »der Deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt«. Die Familie überlebte die Schoah am Stadtrand von Gouda versteckt bei einem befreundeten Ehepaar – in ständiger Angst, von den deutschen Besatzern entdeckt und ermordet zu werden.

 

Seine im Versteck in Gouda verfassten Erinnerungen schloss Hugo Kahn am 1. März 1945 mit der Hoffnung, »dass für uns alle die Sonne scheinen und wir der Zukunft ruhig und vertrauensvoll entgegensehen können«. Diese Hoffnung erfüllte sich. Nach Kriegsende baute Hugo Kahn zusammen mit seinem Sohn Helmut die »Reißzeugfabik Hugo Kahn & Zoon« erfolgreich neu auf und kam regelmäßig nach Nürnberg.

 

Hugo Kahn starb in Gouda am 12. Februar 1980 im Alter von 84 Jahren, seine Frau Susanne starb ebendort am 7. Juli 1991 im Alter von 90 Jahren, und auch Sohn Helmut starb in Gouda am 1. Juni 2006 im Alter von 84 Jahren.

 

Christof Neidiger: Toen Hitler aan de macht kwam (Als Hitler an die Macht kam): Schreiben unter Lebensgefahr – Die holländischen Erinnerungen des Nürnberger Reißzeugfabrikanten Hugo Kahn, in: Norica. Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg, Heft 11, Nürnberg 2015

 

D-BH; DNJ; https://planimetrica.jimdofree.com/mathematical-instruments/germany-lz/ schoenner/ (aufgerufen am 8. 11. 2021); https://www.online-begraafplaatsen.nl/zerken.

asp?g=437588 (aufgerufen am 8. 11. 2021); NARA; StadtAN: C 21/X 4, C 27/III

 

Quelle: 

Siegler, Bernd (2022): Heulen mit den Wölfen. Der 1.FC Nürnberg und der Ausschluss seiner jüdischen Mitglieder. Fürth: starfruit publications

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