Diese Biographie wurde für das Schülerprojekt im Rahmen des Jenö-Konrad-Cup 2024 freundlicherweise von Herrn Bernd Siegler zur Verfügung gestellt:
Griessmann, Bruno Dr.
* 17. 7. 1888, Nürnberg
† 29. 3. 1977, New York (US)
Griessmann, Hildegard
* 25. 9. 1901, Köln
† 10. 2. 1992 Needham, Massachusetts (US)
Der Arzt Bruno Griessmann trat am 1. August 1924 dem 1. FC Nürnberg bei, er spielte Tennis. Obwohl er Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg war, entfernte der FCN ihn am 30. April 1933 aus der Mitgliederliste und markierte dies auf seiner Karteikarte mit dem Stempel »30. APR. 1933«. Auch seine Frau Hilde wurde aus dem Verein ausgeschlossen. Am 1. April 1932 war sie als »Arztgattin« der Tennisabteilung des 1. FC Nürnberg beigetreten. Die letzten Beiträge hatten beide für das erste Quartal 1933 gezahlt.
Bruno Griessmann wurde am 17. Juli 1888 in Nürnberg als Sohn der jüdischen Kaufmannsfamilie Louis und Lina Griessmann (geb. Kohnstamm) geboren. Seine beiden jüngeren Geschwister waren Ernst Jakob und Irma. Im Ersten Weltkrieg gehörte Griessmann zu den Höheren Stäben der 2. Bayerischen Landwehr-Division und wurde 1915 mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet.
Griessmann studierte Medizin und wurde Facharzt für Kehlkopf-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. Seine Praxis war in der Königstraße 25. Er leitete zudem das Institut für Stimm- und Sprachschulung an der Volkshochschule. Nach dem Tod seiner ersten Frau Alice im Februar 1927 heiratete er im März 1931 Hildegard Hirsch, die am 25. September 1901 in Köln geboren wurde und aus erster Ehe die Kinder Kurt Heinz und Gertrude Eleonore mitbrachte. Die jüdische Familie wohnte in der Seumestraße 13.
Der wachsende Antisemitismus in Nürnberg setzte ihnen stark zu. »Patienten, die ihre Rechnungen nicht bezahlen wollten, sandten mir Drohbriefe, dass sie mich bei Julius Streicher anzeigen würden, wenn ich nicht auf die Bezahlung Verzicht leiste. Mein Wohnhaus Seumestraße 13 wurde wiederholt von außen mit Beleidigungen verunstaltet und mit Hakenkreuzen und antisemitischen Äußerungen verschmiert«, berichtete Bruno Griessmann im September 1948 beim Entschädigungsverfahren.
Die Kinder wurden in der Schule gezwungen, judenfeindliche Aufsätze zu verfassen: »Von Mitschülern und Lehrern wurden sie in einer Weise behandelt, die in ihrer Entwicklung schweren Schaden anrichtete.« Mehrfach fanden in der Praxis und in der Privatwohnung Hausdurchsuchungen statt. Bruno Griessmann wurde dabei aufgefordert, sobald als möglich auszuwandern. Er entschloss sich, die beiden Häuser in der Seumestraße 13 und am Keßlerplatz 1 sowie seine Praxisausstattung und Möbel weit unter Verkehrswert zu verkaufen und emigrierte in die USA.
Beim Meldeamt wurde er für den 8. Dezember 1936 nach New York abgemeldet. Tatsächlich fuhr er am 14. August 1936 per Schiff von Southampton nach New York und ging dort eine Woche später mit 160 Dollar in der Tasche von Bord. In seinem Entschädigungsantrag heißt es: »Der Antragsteller selbst ist im August 1936 mit der Eisenbahn von Nürnberg nach Le Havre und von dort mit dem französischen Dampfer ›Champlain‹ Erster Klasse nach New York gefahren.«
Seine Frau und die beiden Kinder kamen vier Monate später nach. Sie wurden am 10. Dezember 1936 nach New York abgemeldet. Am 28. Dezember 1936 kamen Hilde Eva Griesman, wie sie sich fortan nannte, mit den Kindern Henry und Trude in New York an. Im Antrag auf Entschädigung stand: »Die Ehefrau und die beiden Kinder des Antragstellers sind im Dezember 1936 von Nürnberg bis Ostende mit dem Zug gefahren, von dort per Schiff nach England, und am 20. 12. 1936 von England aus mit der Berengaria (»Cunard Line«) nach New York gereist.«
Vater Louis Griessmann starb am 16. August 1934 in Partenkirchen, Mutter Lina wurde am 9. Mai 1939 nach London abgemeldet. Vorher waren bereits ihre Kinder Ernst Jakob und Irma nach England ausgewandert.
Bruno Griessmann legte in den USA das amerikanische Medizinexamen ab und eröffnete auf der New Yorker East Side eine gut gehende HNO-Praxis. Seine Frau assistierte ihm als Arzthelferin. 1942 wurde er für die US-Army registriert. Für die erzwungenen Verkäufe der beiden Häuser in Nürnberg stellte er beim Landesentschädigungsamt in München einen Antrag auf Rückerstattung, der nur zum Teil erfolgreich war.
Bruno Griessmann arbeitete bis zu seinem 86. Lebensjahr als HNO-Arzt und starb am 29. März 1977 in New York im Alter von 88 Jahren. Nach dem Tod ihres Mannes zog Hilde Griessmann nach Needham in Massachusetts. Dort starb sie im Alter von 90 Jahren am 10. Februar 1992.
D-BH; HB; NA-PH; NARA; StadtAN: C 21/X; US-PL; US-SS
Quelle:
Siegler, Bernd (2022): Heulen mit den Wölfen. Der 1.FC Nürnberg und der Ausschluss seiner jüdischen Mitglieder. Fürth: starfruit publications