Diese Biographie wurde für das Schülerprojekt im Rahmen des Jenö-Konrad-Cup 2024 freundlicherweise von Herrn Bernd Siegler zur Verfügung gestellt:
* 24. 5. 1890, Prichsenstadt
† 25. 6. 1961, New York (US)
Der Kaufmann Ludwig Fleischmann wurde am 1. Juni 1921 Mitglied des 1. FC Nürnberg, die Abteilung ist nicht bekannt. Am 30. April 1933 entfernte der FCN ihn aus der Mitgliederliste und markierte dies auf seiner Karteikarte mit dem Stempel »30. APR. 1933«. Den letzten Mitgliedsbeitrag hatte er für Dezember 1932 entrichtet.
Ludwig Fleischmann wurde am 24. Mai 1890 in Prichsenstadt als Sohn des Kaufmanns und Viehhändlers Hermann Fleischmann und seiner Frau Johanna (geb. Klein) geboren. Er arbeitete als Kaufmann im Aschaffenburger Bankhaus Arnold Rosenthal.
Im Ersten Weltkrieg war Ludwig Fleischmann beim 5. Bayerischen Infanterie-Regiment in Bamberg im I. Ersatz-Bataillon. Im Januar 1919 zog der Kaufmann von Bamberg nach Nürnberg und heiratete im August 1919 Sibylle Geggel. Am 10. August 1920 kam Tochter Johanna und am 12. Februar 1922 Tochter Margot zur Welt. Ludwig Fleischmann hatte eine Fabrik für Hüte und Mützen.
Mit Koch und Kindermädchen wohnte die jüdische Familie unter anderem in der Bucher Straße 10, in der Rieterstraße 3, und zuletzt in der Fürther Straße 4. »Wir hatten Bibelstunden und lernten Hebräisch, ein Rabbi unterrichtete uns und der Shabbat wurde zelebriert«, berichtete Tochter Johanna Hilb im März 1997 in einem Interview mit der USC Shoah Foundation in Gwynedd, Pennsylvania.
In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde Ludwig Fleischmann von SA-Horden verschleppt und mehrere Tage interniert. »Er war eine Woche weg. Danach war er ein gebrochener Mann, und sie nahmen ihm das Geschäft weg«, so Johanna Hilb.
Ludwig Fleischmann schickte seine beiden Töchter am 28. August 1939, drei Tage vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, mit dem Zug nach Hamburg. Jede hatte nur einen kleinen Koffer dabei. Von Hamburg aus ging es mit dem Schiff zu Verwandten nach London. Dort warteten sie auf gültige Visa für die USA. »Wegzug 29. 8. 1939 New York« ist auf der Meldekarte verzeichnet. Am 12. Dezember 1939 begann die Reise mit der »Veendam« von Southampton nach New York, wo die Töchter zehn Tage später ankamen.
Fünf Monate später war die Familie wieder vereint. Auf der Meldekartei ist verzeichnet, dass Ludwig Fleischmann am 14. Mai 1940 nach New York emigrierte. Er kam mit seiner Frau am 28. Mai 1940 mit dem Schiff »Washington« aus Genua kommend in New York an und wurde eingebürgert. »Meine Mutter managte den Alltag, mein Vater litt unter einem starken Verfolgungswahn, er war sehr leicht verletzbar und versuchte gegenüber Behörden alles ganz genau zu machen«, berichtete Tochter Johanna.
Die Träume von einem guten Leben ohne Ausgrenzung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten erfüllten sich nicht. Ludwig Fleischmann arbeitete ein Jahr lang in einer Bürstenfabrik, dann verdiente er vier bis fünf Jahre sein Geld als »Wallstreet Runner«. Als Dienstbote brachte er Papiere von einem Brokerbüro zum anderen. »Er genoss das, denn er lernte viel über das amerikanische Finanzsystem«, so Johanna Hilb.
Ihre Mutter fertigte als Akkordarbeiterin Jacken und Schlafanzüge für Kinder. »Das genügte, um ein so genanntes normales Leben zu führen und die Kinder bei sich zu haben«, resümierte Johanna Hilb. Sie hatte im November 1944 geheiratet und verdiente ihr Geld wie ihre Schwester Margot lange Jahre als Kindermädchen und als Haushaltshilfe.
Ludwig Fleischmann verstarb am 25. Juni 1961 in New York im Alter von 71 Jahren.
AA; BDJU; D-BH; NA-PH; StadtAN: C 21/X, C 27/III; USC; US-PL; US-SI
Quelle:
Siegler, Bernd (2022): Heulen mit den Wölfen. Der 1.FC Nürnberg und der Ausschluss seiner jüdischen Mitglieder. Fürth: starfruit publications